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Wie bei LIDL in Frankreich mit Reklamationen umgegangen wird

Foraging black pig in Autumn
Photo by Annie Spratt / Unsplash

Martina und ich haben es uns gut gehen lassen im Limousin. Wir haben drei Mal am Tag gegessen und bei den Hauptmahlzeiten mittags und abends in zehn Tagen nicht zwei Mal das gleiche gekocht. Unter anderem hatten wir ein Pastagericht mit Trüffeln in Planung. Wir haben bei LIDL ein kleines Gläschen gekauft, das ganze schwarze Trüffel enthielt. Der Hinweis première ebullition auf dem Etikett heißt, dass der Trüffel bei der Konservierung zum ersten Mal in Wasser erhitzt wurde und ist ein Qualitätsmerkmal. Es gibt auch Trüffel, die vorher zwei Mal gekocht werden, um ihnen alle Aromen zu entziehen. Sie werden mit dem Hinweis deuxième cuisson verkauft und schmecken entsprechend.
Das kleine Gläschen enthält 12,5g Trüffel und kostet 9,58€.

Das entspricht einem Kilopreis von knapp 800€. Das, was sich in dem Gläschen befindet, riecht wie eine mittelalte Rotweinzwiebel und schmeckt auch so. Na gut, dann bringe ich es halt zurück. 9,50€ sind etwa vier panaché, so heißt das Bier mit Limo hier und es ist das perfekte Getränk für heiße Sommertage.


Am Tag von Martinas Abreise, am 23. Juli,  baue ich mich an der LIDL-Kasse auf und erkläre mein Anliegen. Die Reaktion ist überraschend unfreundlich. Man könne das Produkt nicht zurücknehmen, ich hätte es ja geöffnet. Mein Hinweis, dass ich den Mangel nicht hätte feststellen können, ohne das Produkt zu öffnen, bleibt ungehört. Eine solche Entscheidung könne Sie nicht treffen, ich solle den Kundenservice anrufen, die mögen mir einen E-Mail schicken und dann könne man mir den Kaufpreis erstatten. Die Nummer des service client haben sie mir immerhin gegeben.
Bei 30°  im Schatten rufe ich vom Parkplatz aus dem Auto die Nummer an. Die Dame ist sehr charmant und hat eine Menge Fragen. Kaufdatum, Barcode, Name des Produkts, Problem, meinen Namen (den muss ich immer buchstabieren), Telefonnummer (14 Ziffern, ich rufe mit dem deutschen Handy an),  Email-Adresse, Postadresse usw. Am Ende bedankt sie sich überschwänglich, nur so könne LIDL die Qualität garantieren und gegebenenfalls mit dem Produzenten Kontakt aufnehmen, vielen Danke für meine Mühe, ich hätte der Firma sehr geholfen. Man würde Kontakt mit mir aufnehmen. Ich bin sehr zurfrieden mit mir und mit ihr und freue mich auf die Email.
Die kommt nicht. Ein Anruf auch nicht.
Ich fahre den Trüffel im Limousin spazieren, denn, wenn ich noch einmal anrufen will, muss ich das von unterwegs aus tun und ohne Trüffel und Kassenzettel brauche ich das gar nicht zu versuchen.
Am 29. Juli rufe ich wieder an. Der Typ am anderen Ende der Leitung ist entweder überfordert oder unfreundlich. Auf jeden Fall ist das Gespräch eher holprig und von langen Pausen durchsetzt. Er findet mich nicht in seinem Computer. Also hat er ein paar Fragen: s.o. Es ist heute 29° Grad warm, also angenehme 35° im Auto. Zusätzlich zu den schon bekannten Fragen erfindet er noch ein paar neue. Er möchte die Postleitzahl von St Martin (Name des Ortes geändert), eine Produktnummer, die auf dem Kassenzettel neben dem Preis stehen sollte (tut sie nicht). Mit welcher Begründung man mir die Erstattung verweigert hätten. Ob ich aus dem Ausland anriefe. Nach dem Kaufdatum fragt er dreimal. Ich kann nicht ausschließen, dass mein Ton im Laufe des Gesprächs an Wärme verloren hat.

Kitten yawn
Photo by Erik-Jan Leusink / Unsplash

Man würde Kontakt mit mir aufnehmen. Ich frage nach der Zeitspanne und er antwortet, dass das meistens binnen von 24 Stunden geschähe.
Tut es nicht. Auch nicht 48 Stunden und auch nicht 72 Stunden später.
Der Trüffel neben meiner Handbremse und sein Kassenzettel werden treue Begleiter auf meinen Wegen. Ich fange an, freundschaftliche Gefühle für ihn zu entwickeln.
Am 5. August hole ich meine Freundin Ute am Bahnhof in Limoges ab. Ich bin wie immer viel zu früh dran, das ist aber auch gut so, denn nicht immer sind die Straßen frei.

Ich habe noch 45 Minuten und es ist Zeit für den dritten Anruf. Heute gibt es angenehme Arbeitsbedingungen: 26° und ich sitze unter einem Baum vor dem Bahnhof. Ich erzähle die Vorgeschichte und sie fragt mich nach meiner numéro de dossier, meiner Vorgangsnummer. Ich muss ihr mitteilen, dass ich keine habe, weil - wie soeben erwähnt - niemand mit mir Kontakt aufgenommen hat. Aber das Wunder geschieht: Sie findet mich im Computer. Das ändert nichts daran, dass sie noch ein paar Daten von mir braucht. S.o. Man würde Kontakt mit mir aufnehmen. Wahrscheinlich per Email. Ich antworte mit on verra, wir werden sehen. Es gibt noch eine Menge Höflichkeitsfloskeln ihrerseits, wahrscheinlich ist das schriftlich im Handbuch für telefonische Kontaktaufnahme so festgelegt. Ich wäre mehr für action. Aber jetzt wende ich mich etwas Erfreulicherem zu und das ist Utes Erscheinen im Limousin. Ich räume meinen Trüffel an seinen Platz und hole sie am Bahnhof ab.
Ute, der Trüffel und ich haben eine gute Zeit zu dritt.
Am 7. August geschieht das zweite Wunder: Lidl nimmt Kontakt mit mir auf. Und ich habe jetzt eine numéro de dossier: 48329642. Ist sie nicht schön?

Vorne in der Email: Höflichkeitsfloskeln. Man bedankt sich, dass ich mir die Zeit genommen hätte, mich mitzuteilen. Hinten hofft man, mir weitergeholfen zu haben und fügt noch ein paar Höflichkeitsfloskeln an. In der Mitte ein eingefügter Text: Ich könne mir das ungeöffnete Produkt unter Vorlage des Kassenzettels binnen eines Monats erstatten lassen. Gezeichnet: Laurence.
Ich antworte meiner persönlichen Beraterin, dass sie mir nicht weitergeholfen habe und dass sie mir bitte mitteilen möchte, wie ich den Mangel an dem Produkt hätte feststellen können, ohne es zu öffnen. Die Antwort kommt am selben Tag.

Umrahmt von dem üblichen Höflichkeitsgedöns teilt Laurence mir mit, dass man noch eine Information benötige, um meinem Wunsch nach Erstattung Folge leisten zu können. Ich möge die benötigte Information le plus rapidement possible, schnellstmöglich, an contact@lidl.fr senden. Laurence macht also Schluss mit mir und das nach einem Tag Beziehung. Die benötigte Information lautet: was eigentlich das Problem mit dem Produkt sei.
Zum Glück bin ja Lehrerin und so ist mein alter ego ein Papagei.
Ich sende artig die benötigte Information sowohl an Laurence als auch an die neue Adresse. Schnellstmöglich. Heute ist der 10. August und nix iss passiert.
Natürlich ist das Problem mit dem Trüffel mittlerweile, dass er anfängt zu schimmeln, weil ihm der Aufenthalt im Auto nicht bekommt.
Liebe glückliche LIDL-Kundenservicefamilie! Ich gebe jetzt auf. Heute wird der Trüffel auf meinem Grundstück beerdigt, das Töpfchen kommt ins Altglas und der Kassenzettel in den Kamin. Wenn jemand weitere Informationen von mir benötigt, dann kann er sie diesem Blogpost entnehmen.

Hildegard Wichmann

Hildegard Wichmann

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