3 min read


Hier im Limousin gibt es ziemlich viele Engländer. Einer von ihnen bringt einmal im Monat eine Zeitung heraus, die The Bugle (Martina und ich haben das mit Die Tröte übersetzt. Tatsächliche handelt es sich um ein Musikinstrument.) heißt und die ich gerne mag, weil ich seine Expat-Perspektive und seinen Humor mag. Sein Name ist Steve Martindale : http://www.thebugle.eu/

In der Juliausgabe erschien folgender Artikel:
Der Bürgermeister einer Gemeinde mit 387 Einwohnern appelliert an das Parlament, die Laute, die das Landleben eben so macht, als nationales Kulturerbe zu schützen. Warum ist das nötig? Weil es Klagen vor Gericht gibt, dass Kühe zu laut muhen (Gemeinde Occoches), Frösche zu laut balzen (Dordogne), Kirchenglocken zu laut läuten (Colmar) und Hähne zu laut und zu früh krähen (Ile d'Oléron).
Frankreich ist ein Agrarstaat. Das heißt, von dieser furchbaren campagne gibt es fast so viel wie von dieser aufdringlichen nature. Das heißt, ständig krabbelt, fliegt, piepst, paart sich irgendwo irgendetwas. Die Situation ist tatsächlich außer Kontrolle: Die blöde nature lässt sich weder sauber halten noch aufräumen noch desinfizieren. Und einen Lautstärkeregler hat sie auch nicht. Wenn man mittendrin wohnt, ist man ihr hilflos ausgeliefert. Aber eigentlich sind wir doch ihretwegen hierher gekommen, oder?
Die nouveaux-rureaux, aus der Stadt herbeigezogenen, erkennt man schnell. Sie vergewaltigen jede Fassade auf der Sonnenseite mit Panoramafenstern bis zum Boden. Das macht das Haus im Sommer dann unbewohnbar, weil die Fensterfläche sich wie bekloppt aufheizt und keine von den hier üblichen Holzläden verbaut wurden, weil die Fenster dafür zu groß sind. Schöner werden die Häuser davon auch nicht.
Frankreich ist ein Agrarstaat. Das heißt auch, dass die Menschen hier auf dem Land mit dem ganzen lästigen Viehzeug und den lauten Argrarmaschinen ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Und der ist schmal.
Habe ich Mon Village Lärmprobleme gehabt? Ja, habe ich.
Der Nachbar, der sich mittlerweile ganz großartig um mein Grundstück kümmert, hat mal am Pfingstsonntag seinen Gemüsegarten mit der Maschine gepflügt. Er war zu dem Zeitpunkt noch berufstätig als Landarbeiter und ich bin klaglos schwimmen gegangen.
Der gleiche Nachbar hat einen Hund, der den ganzen Tag bellte. Laut und ununterbrochen. Da habe ich dann die ganz großen Geschütze aufgefahren. Ich habe die Nachbarn zum Aperitif eingeladen. Wir haben uns gegenseitig so lange eingeladen, bis das Problem gelöst war.
Der andere Nachbar, der mich so großügig mit Gemüse versorgt, hatte seinen Hühnerstall in meinen ersten Jahren ganz am Ende meines Grundstücks. Er und seine Frau haben mich gefragt, ob mich die Perlhühner nicht stören. Ich habe verneint, weil Perlhühner wirklich gut schmecken. Und weil ich überhaupt nicht wusste, welcher Teil von den Geräuschen vom Hühnerstall die pintades waren. DER Hühnerstall ist mittlerweile umgezogen. Ich vermisse ihn nicht, aber schlimm war er auch nicht. Er war halt da, als ich kam. Und ich habe gelernt, dass es in Frankreich tatsächlich ein Gesetz gibt, wie viele Perlhühner man halten darf, um die Nachbarn nicht zu nerven.
Es ist bis heute so, dass wenn in dem anderen Hühnerstall bei Nachbar Nummer eins vier Hühner gleichzeitig Eier legen, ich nicht telefonieren könnte, weil die Hühner das Eierlegen feiern. Aber telefonieren kann ich hier sowieso nicht, weil es kein Netz gibt. Und die Eier bekomme ich geschenkt. Ratet mal, wie sie schmecken.
Was auch ganz erstaunlich ist: Die Menschen hier schlafen. Ich auch. Gut sogar. Sehr gut sogar. Richtig, wir machen keine Partys bis zwei Uhr morgens. Dafür sind wir nach dem Abendendessen gar nicht mehr in der Lage. Die Menschen auf dem Land gehen zu normalen Zeiten schlafen und wenn dann gegen sieben Ur morgens der Hahn kräht sind, sie sowieso schon wach. When in Rome do as romains do? Or at least, try to understand what Rome was built for? Kann man sich am Ende an das Landleben gewöhnen?
Ich gehöre zu der Gattung derer, die gerne sehr früh aufstehen und manchmal, besonders im Herbst und im Winter, wecke ich den Hahn, indem ich in meinem Häuschen Licht anmache. Zum Glück hat er mich noch nicht verklagt.

Hildegard Wichmann

Hildegard Wichmann

Read more posts by this author.

Bonn