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Tubing behind a boat in the Maldives

Zwei Mal rechts, zwei Mal links, meine Waschmaschine im Waschsalon von St Martin dreht träge vor sich hin. Ich bin gerne hier und erhole mich von den Renovierungsarbeiten in meiner kleinen Hütte. St Martin bedeutet auch schwimmen gehen und Internet, hinterher bin ich immer sauberer und informierter.

Die Besetzung ist wie gewohnt. Eine Frau wäscht in mehreren Maschinen die vielfarbige Wäsche  ihrer Familie und passt nebenher auf ein Kleinkind auf. Ein sehr großer Mann, eher auch kein Franzose, der seinen mitteldreckigen Bus vor der Tür geparkt hat, wäscht Sachen, die alle grau, braun oder sandfarben sind, in einer der sehr großen Maschinen. Er und sein Bus sehen aus, als seien sie schon lange unterwegs, vielleicht schon immer.

Wir sitzen friedlich herum und hören dem Radiosender France Bleu Limousin bei seinem freundlichen Geplapper zu.

Die Tür öffnet sich und mein erster Gedanke ist

Was macht die denn hier?

Zur Erklärung: Frankreich hat ein besonderes Talent, seine Gesellschaft in feine soziale Scheiben zu tranchieren. Je größer die Stadt, desto schärfer ist die Trennung der Kasten, deren Existenz wir Europäer gerne mit einem ebenso erleichterten wie strafenden Blick nach Indien leugnen. Wenn man viel mit Frankreich zu tun hat, entzieht man sich dieser Denkungsart irgendwann nicht mehr.

Die Kasten in einem Waschsalon sind wie folgt:

Es gibt Leute, denen alles egal ist und die irgendwo leben, meistens draußen. Sie kaufen das Waschmittel hier, waschen alles in einer Maschine und nehmen die verfärbten Klamotten in überquellenden großen Plastikbeuteln unsortiert und ungefaltet wieder mit. Häufig bleibt die Wäsche nass, weil die Trockner teuer sind.

Es gibt Leute, die auf sehr langen Reisen sind und denen der ganze Kastenquatsch egal ist, weil sie sich mit anderen Gedanken befassen.

Es gibt Leute, die auf kurzen Reisen sind, Camping- oder Wandertouren und die der Besuch im Waschsalon an ihre Studentenzeit erinnert. Denen muss man im Regelfall die Bedienung der Maschinen erklären.

Es gibt Leute wie mich, denen bestimmte Lebensumstände den Zugriff auf eine eigene Waschmaschine verweigert haben, die aber auf ihre Wäsche achten. Weiß nur mit Weiß.. , ja Mutti, ich kann dich noch hören. Wir bringen unser Waschmittel und gegebenenfalls unseren Weichspüler mit und falten die Wäsche zum Abtransport. Hier gibt es noch eine Untergruppe, der hat das Leben auch den Zugang zu einem Badezimmer verweigert und mir hat es zusätzlich noch einen eigenen Kamin geschenkt, so dass ich nach Holzfeuer rieche. Ich liebe den Geruch, verlange das aber nicht von meiner Umwelt.

SIE gehört zu keiner dieser Gruppen, was also will sie hier? Sie ist Mitte fünfzig und sehr attraktiv. Sie hat schöne gepflegte und leicht gebräunte Haut, ein zartes Make-up im Gesicht und einen pfiffigen Haarschnitt in den grauen Haaren. Sie trägt ein helles Sommerkleid mit passenden Sandalen, gemäßigter Absatz, schöne Beine. Die Füße sind tadellos mit Nagellack pedikürt, ihre Hände sind zart und gepflegt und mit dem gleichen Lack manikürt. Sie sehen aus, als hätte sie sie lebenslang mit ausreichenden Sicherheitsabstand von Putzeimern, Putzlappen und scharfen Reinigern ferngehalten. Madame ist sehr hübsch anzusehen und sieht dezent teuer aus. Sie trägt ihre Schönheit mit der lässigen Selbstverständlichkeit derer, die schon immer so ausgesehen haben.

Sie trägt auch ein Fläschchen mit Waschmittel, eines mit Weichspüler und einen Autoschlüssel bei sich.

Die beiden Fläschchen platziert sie auf einer der sehr großen Maschinen, dreht sich um und kommt eine Minute später mit der Erklärung ihres Anliegens im Arm wieder herein. Sie bringt eine riesige strahlend weiße Daunendecke mit. In Köln heißt so etwas plümmo. Der Beweis, dass Napoleon es wirklich bis zu uns geschafft hat. (la plume: die Feder)

Alles klar, die Kaste habe ich vergessen, die kommt so in etwa einmal im Jahr, weil die heimische Waschmaschine zu klein für das Bettzeug ist.  Sie macht sich schnell mit der Bedienung der Maschinen vertraut und bewegt sich mit anmutigen sicheren Schritten durch den Raum. Als sie ihren Autoschlüssel von der Maschine nehmen will, passiert es: Sie reißt das Fläschchen mit dem Weichspüler mit, er fällt auf den Boden und der Inhalt fließt träge auf den Fußboden.und breitet sich hellblau aus.

Jetzt bin ich mal gespannt, wie sie mit diesen Händen das Problem lösen wird. Ihre Stirn legt sich in bisher sorgfältig vermiedene Falten. Ein graziöser Schritt rückwärts entfernt sie von der blauen Pfütze, die Hände nimmt sie dabei fast wie in einer Ballettpose hinter die Hüftlinie. Das erlaubt uns, wenn es uns interessiert, festzustellen, dass an ihrem Körper noch alles sehr schön an seinem Platz ist.

Mais comment je vais nettoyer ça?

(Wie kriege ich das denn jetzt hier weg?)

Die Frage geht an uns. Die Reaktionen sind unterschiedlich. Die Frau mit dem Kind geht eine rauchen, der große Mann stürzt wortlos Richtung Bus und holt graue, braune und sandfarbene Lappen.

Ich war auch mal so hilfsbereit und in meinem mittelsauberen Ford-Kastenwagen sind auch jede Menge Lappen.

Heute denke ich mir als Antwort: Das frage ich mich auch und setze mich auf meine Hände. Ist ja nicht meine Pfütze. Aber die Technik, von einem Problem, das man verursacht hat, erst einmal einen Schritt zurückzuweichen, merke ich mir. Die Hände sofort aus der Geschichte herauszunehmen, auch.

Der Schritt zurück erweist sich als sehr clever. So hat nämlich der nette Mann mit den vielen Lappen Platz genug, in die Knie zu gehen und die Sauerei aufzuwischen. Sie wischt mit der Schuhspitze auf einem der Lappen ein bisschen an der Peripherie mit, die Hände immer noch hinter der Hüftlinie. Als er fertig aufgewischt hat, prüft sie das Ergebnis mit der anderen Schuhsohle. Geht so, es ist immer noch ziemlich glitschig.

On ne peut pas laisser ça comme ça.

(Das können wir so nicht lassen.)

Da er gerade draußen die Lappen entsorgt, hört er nicht, dass sie mit dem Ergebnis seiner Arbeit nicht zufrieden ist. Die Frau mit dem Kind ist nicht wiedergekommen. Von mir ist, obwohl meine Hände zehn Jahre älter sind als ich, es mir also nichts ausmachen sollte, keine Hilfe zu erwarten. Ihr Blick wandert die Wände entlang, sie nimmt ihr Telefon heraus und wählt die Servicenummer. Freundlich informiert sie ihr Gegenüber, dass sich auf dem Boden des Waschsalons Weichspüler befindet und das das sehr gefährlich sei, weil ja jemand ausrutschen könnte. Man möge sich darum kümmern.

Zufrieden verlässt sie den Raum, wahrscheinlich, um ins Café zu gehen und ich hätte fast applaudiert.

Hildegard Wichmann

Hildegard Wichmann

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Bonn