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Photo by Priscilla Du Preez / Unsplash

Um bei Naliya-Thai-Massage telefonisch einen Termin zu vereinbaren, muss man ein bisschen unerschrocken sein. Naliya spricht sehr schnelles Deutsch mit starkem Akzent. Sie macht viele Scherze und lacht gerne darüber, während sie weiterspricht. Mittendrin die Botschaft zu verstehen, ist nicht immer ganz einfach.

Nach einer Weile habe ich raus, dass sie MICH immer versteht und dass es gar nichts macht, wenn ich SIE nicht verstehe. Die gegenseitige Sympathie wird davon nicht beeinträchtigt. Bis jetzt haben wir die Uhrzeit und den Wochentag noch immer hinbekommen und wenn die gewünschte Masseurin nicht disponibel ist, versteht Naliya sowieso nur das, was ihr passt.

Heute massiert die Chefin mich persönlich, das ist selten, meist hütet sie das Telefon. Das ist auch gut so, denn um mit den anderen zu telefonieren, muss man noch unerschrockener sein.

Ich freue mich auf eine lange kräftige Massage, die tiefe Entspannung, die schon oft nahe an Trance ist und mir sehr gut tut. Die Mädels hier wissen, was sie tun und bauen meine Verspannungen mit viel Energie und Körpereinsatz ab.

person massaging the back of a woman
Photo by Toa Heftiba / Unsplash

Naliya erkundigt sich, wie es mir geht. Ich blubbere irgendetwas ohne Inhalt in das Loch der Massageliege. Ich bin nicht in Plauderlaune.  Naliya schon.

Ihr ginge es nicht so gut. Ob ich wüsste, dass sie Blustklebs gehabt habe.

Die Nachricht kommt um ein paar Zehntelsekunden verschoben bei mir an. Besser, sie wäre überhaupt nicht angekommen und ich hätte mit dem üblichen Grunzen quittieren können, dass zwar etwas bei mir angekommen ist, ich aber nicht zuhöre. Die Lautung des Wortes Blustklebs löst bei mir einen Lachkrampf aus, der natürlich völlig unpassend ist, wenn dir gerade jemand erzählt, dass er an einem Mamma-Karzinom erkrankt war.

Dass ich an den falschen Stellen einen Lachkrampf bekomme ist gar nicht soo häufig. Na gut, es ist auch nicht soo selten. Es ist der Klang der Worte. Manchmal ist es auch die Formulierung. Ich musste an meiner ehemaligen Schule mal einen Hustenanfall vortäuschen und ein Vorstellungsgespräch verlassen, weil der Bewerber sagte, er wolle das Pferd jetzt nicht von hinten aufrollen.

So ein Lachkrampf lässt sich am besten lösen, indem ich mich bewege, idealerweise den Raum verlasse. Im Moment hockt Naliya auf meinem Fahrgestell, ich kann hier nicht weg.

Zum Glück liege ich mit dem Gesicht nach unten, niemand sieht meine verkrampften Gesichtszüge, die verraten würden, wie verzweifelt ich versuche, die Fassung wiederzugewinnen.

Schnappatmung, Bauchatmung, ruuuuhig werden.

Geschafft.

Da sie gerade an meinen Beinen arbeitet, hat sie die verkrampften Rückenmuskeln vielleicht nicht wahrgenommen. Ich kann sogar etwas Passendes, Anteilnehmendes sagen. Das tue ich mit ein paar Sekunden Verspätung, aber immerhin. Naliya nimmt ihre verbale Schnellzugfahrt wieder auf. Die Erkrankung sei schon ein paar Jahre her, sie habe die Blustklebs-Behandlung gut überstanden. Ich habe mich an das Wort gewöhnt und fange wieder an, mich zu entspannen. Sie ist jetzt schon einige Jahre ohne weiteren Befund, aber sie musste die Brust wieder aufbauen lassen und vor einigen Tagen sei das Implantat verlutst.  

Dieses Wort erwischt mich derartig unerwartet, dass die Massage für mich zu Ende ist. Den Rest der Zeit würge ich den nächsten Lachkrampf herunter, versuche kurze aber passende Antworten zu finden, um dann wieder zum Herunterwürgen des Lachkrampfs zurückzukehren, zu versuchen nicht zu ersticken und gleichzeitig meine göttliche Instanz anzuflehen, dass Naliya nicht noch einen raushaut, denn dann kann ich mich nur noch hustend auf die Toilette verabschieden. Ich werde erhört, sie sagt nichts weiter.

Ich habe mich noch nie auf das Ende einer Massage gefreut. Heute bin ich froh, dass ich mein geschwollenes Gesicht und meine völlig verkrampften Muskeln endlich mit nach Hause nehmen darf. Ich bin so froh, als ich endlich draußen bin.

man in blue denim jacket standing on road during daytime
Photo by Thomas Le / Unsplash

Einige Wochen später bin ich wieder da. Heute weiß ich gar nicht, wer mich massiert. Wenn die Masseurin eintritt, liegt man schon mit dem Gesicht nach unten, die Begrüßung ist kurz und melodisch, so dass auch die Stimme nicht immer weiterhilft.

Im zweiten Teil der Massage darf man sich auf den Rücken drehen, was mir immer sehr schwer fällt, da mich die Mädels gründlich in die Liege einarbeiten. Als ich die Augen öffne, sehe ich eine sehr schöne Frau, die mich freundlich anlächelt. Die Massage ist die beste, die ich seit langem bekommen habe.

Als ich mich wieder anziehe, frage ich sie nach ihrem Namen.

Sie lächelt strahlend und sagt: Miau.

Mein Zwerchfell zieht sich schmerzhaft zusammen.

Ist Wuff  jetzt die passende Antwort?

Es wird nur ein gequältes Lächeln.

Ein paar Jahre später macht Mi Hau sich selbständig. Nur heißt sie jetzt Nual Chan. Das sei ihr eigentlicher Name, sagt mir Soon Yi, die jetzt auch hier arbeitet. Hä?

Mein guter Freund Heiner, der sehr viel Zeit in Thailand verbringt, erklärt mir, dass das nicht ungewöhnlich ist. Thailänder legen sich Namen zu, die für die Ausländer leichter zu handeln sind. Dafür nimmt man gerne englische oder amerikanische. Ich komme nicht mehr mit.

Ich heiße Mi Hau, also eigentlich Nual Chan, aber nenn mich Sandy? Das muss ich irgendwann mal ergründen.

Hildegard Wichmann

Hildegard Wichmann

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Bonn