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Für Iris

In der Schule auf dem Mars habe ich erlebt, wie ein großer bunter Haufen von Menschen, die in flachen Hierarchien auf alles Lust hatten und vieles stemmten, in wenigen Jahre zu einer starren Pyramide gerann, in der nichts mehr funktionierte, alle gegeneinander steuerten und niemand mehr gerne gearbeitet hat. Die Gründe dafür waren Narzissmuns und Micromanagement.

Ich habe das Wort Micromanagement erst vor zwei Jahren kennengelernt. Es hat mir sehr gut getan zu hören, dass es sich um ein anerkanntes Phänomen handelt. Als ich glaubte an der Schule auf dem Mars unter der Herrschaft von Alphons Mahlert systemische Probleme festzustellen, habe ich kaum Gesprächspartner gefunden. Die einzigen, die noch etwas wahrnehmen und formulieren konnten, waren die Mädels im Sekretariat. Als ich hörte, dass das Problem einen Namen hat und beschrieben ist, habe ich mich nicht mehr so allein gefühlt.

Hier die Definition von Wikipedia mit Umformulierungen und Kürzungen:

Mikromanagement (auch Micromanagement) beschreibt in den den Vorgang des geplanten Handelns im Mikroumfeld. Es kommt dabei zu einer „übertriebenen Detailorientierung“. Für das Micromanagement charakteristisch ist außerdem das Überspringen  von Hierarchiestufen. Es wird dabei darauf verzichtet, Aufgaben zu delegieren.

Ein  Mikromanager ist eine Führungskraft, die sich sehr viel mit  Einzelheiten eines von seinen Mitarbeitern oder Kollegen zu lösenden  Problems beschäftigt.  Ein Manager wird zum Mikromanager, wenn er zu wenig Rückmeldungen über die Lösung des Problems erhält oder nur das Gefühl  hat. Das führt zu ständigen Rückfragen und zu immer detaillierteren  Aufgabenstellungen, aber auch der zu erstellenden  Berichte über Arbeitsergebnisse.

Die Mitarbeiter werden andererseits von der eigentlichen Arbeit  abgehalten, da sie ständig über den Arbeitsstand berichten müssen. Es  gibt keinen Freiraum für Entscheidungen innerhalb ihres  Aufgabenbereiches. Der Dauerzustand eines solchen Führungsstils kann die Mitarbeiter demotivieren, die sich dann zu destruktiven Mitarbeitern entwickeln können.

Abhilfe schaffen offene Gespräche zur Verbesserung der Arbeitsaufteilung. Ein Leiter muss Aufgaben delegieren können. Der Mitarbeiter muss seinem Vorgesetzten ausreichend berichten. Beide müssen einander akzeptieren und vertrauen.

Ich bin keine Betriebswirtin, nur ein Opfer des Phänomens. Und ich würde es anders darstellen. Fangen wir hinten an:

Ich glaube nicht an Abhilfe dafür, denn für mich ist das Problem gekoppelt an Narzissmus und das ist eine Krankheit. Für Abhilfe müsste der Narzist sich in Therapie begeben und das lässt sein überdimensioniertes Ego nicht zu. Der Mikromanager kann seine Mitarbeiter gar nicht akzeptieren oder ihnen vertrauen. Er traut ihnen keine Form von Kompetenz zu, da SEINE Kompetenz alles überstrahlt. Und er wittert ständig Verrat. Das einzigen Gegenmittel ist, ihm ständig zu schmeicheln. Das ist ein Fulltime-Job und die Arbeit bleibt liegen. Dieser Job wird gerne von jenen übernommen, die nicht so kompetent sind, dann damit können sie es kompensieren.  Sie sind dann die einzigen, denen er in Ansätzen vertraut und die er auch befördert. So bekommt er eine Führungriege, die nicht arbeiten kann und auch keine Zeit dafür hat, denn sie müssen nicht nur Speichel lecken, sondern sich auch gegenseitig bekämpfen. Eine Schule verwandelt sich in den Hof Ludwigs des Vierzehnten.

Mikromanager verfügen weder über Humor noch über die Fähigkeit zur Selbstkritik. Was sie machen, ist automatisch gut, weil SIE es machen. Sachliche Kritik wird, egal wie klein oder wie berechtigt sie ist, mit dem Bulldozer platt gemacht, weil sie immer als persönlicher Angriff gewertet wird. Das legt jedes System lahm, weil es sich nicht mehr entwickeln kann. Im Alltag wird dann nichts mehr geschafft oder was geschafft wird, taugt nichts. Aber alle sind total begeistert. Des Kaisers neue Kleider ist nicht umsonst für einige Jahre meine Lieblingsreferenz gewesen.

Ach ja, und die Arbeit des Managers bleibt natürlich auch liegen, denn er ist damit beschäftigt, Lob entgegenzunehmen und seine MuM zu gängeln. So entsteht ein Führungsstil, den ich Rumpelstilzchen-in-Chief genannt habe. Der Begriff ist selbsterklärend, oder? Häufig wird der Ausbruch von Augenrollen begleitet. Es bedeutet: Bin ich denn hier nur von Idioten umgeben? Nein, bist du nicht. Aber du kannst es nicht wahrnehmen.

Ein Micromangager betrachtet alle MuM als Verlängerung seines Egos. Daher hätten die MuM doch wissen müssen, wie er die Arbeit getan haben will. Weichen sie von seinem inneren Plan ab, wird er wütend. Er kann einfach nicht akzeptieren, dass es sich einfach um eine andere Person handelt, die Dinge anders und, Gott bewahre, vielleicht besser macht.

Bestraft wird das Fehlverhalten, als befände man sich in einer Familie und habe den Vater verärgert. Die MuM werden behandelt wie unmündige Kinder. Irgendwann benehmen sie sich auch so und warten acht Stunden am Tag auf Anweisungen. Da kein Mensch so viele Anweisungen geben kann, warten sie acht Stunden am Tag auf das Ende des Arbeitstages.

Auch verziehen wird wie in einer Familie: Man soll lieb Bitte-Bitte sagen, dann ist Papa wieder gut. Lässt man es, hat Papa einen nicht mehr lieb. Alle Erwachsenen im Raum betrachten dieses Vorgehen mit Kofpschütteln und einem durchsichtigen Fragezeichen über dem Kopf.

Alle Artikel, die ich über dieses Phänomen gelesen habe, sind ziemlich lang, weil es so viele Merkmale gibt und so vielfältige Auswirkungen. Einer von den Artikeln ist hier.

Zwei Merkmale erwähne ich heute noch, dann mache ich Schluss für, ich habe Hunger. Micromanager verwenden überproportional oft das Wort Ich. Bei Alphons Mahler war es die Steigerung mit Ich als Schulleiter.... Ich musste dann immer grinsen, weil es mich an das Jugendbuch Ich, Claudius, Kaiser und Gott von Robert von Ranke Graves erinnerte.

Da Narzisten in dem ständigen Verdacht leben, von den Erwachsenen im Raum nicht ernst genommen zu werden (was stimmt) verlängerte jedes Grinsen die unendliche Liste meiner Vergehen. Wahrscheinlich hat er in dem Moment gedacht: Der wird das Grinsen noch vergehen. Was auch stimmt.

Noch ein Merkmal für das Phänomen: Micromanager hören grundsätzlich nicht oder nicht bis zu Ende zu. So entgeht ihnen die entscheidenden Information und sie treffen ihre Entscheidungen uninformiert.

Die folgende Anekdote zitiere ich aus dem Gedächtnis, also ohne Gewähr: Nelson Mandela wurde zum Thema Leadership befragt. Er sagt, er habe viel von seinem Vater gelernt, der der Anführer im Dorf gewesen sei. Bei Besprechungen sei immer eines auffällig gewesen: He always was the last to talk.

Hildegard Wichmann

Hildegard Wichmann

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Bonn