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Ich habe gerne eine Reinigungskraft. Eine Phase lang waren es meine Französischnachhilfeschülerinnen. Das war herrlich und total unkompliziert. Sie waren pünktlich, hatten den gleichen Begriff von Sauberkeit wie ich und kamen einfach jede Woche zum vereinbarten Termin. Sie haben mir das Leben erleichtert und ich habe verstanden, warum deutsche Au-pair-Mädchen im Ausland so beliebt sind.

Wenn ich meinen KuK (Kolleginnen und Kollegen) erzählt habe, dass ich einen Putzkraft habe, gab es manchmal seltsame Äußerungen.

Im Jahr 2014 macht mein Vater sich ans Sterben. Es wird ein langer, in jeder Beziehung anstrengender Prozess. Unter anderem, weil er in Oldenburg wohnt und ich in Bonn. Mein Bruder wohnt in Emden. Beide sind wir ständig unterwegs zu ihm ins Krankenhaus, zueinander oder zurück  nach Hause. Ich brauche dringend Hilfe im Haushalt, weil ich schon meinen Alltag in der Schule gerade noch schaffe. Neuerdings gibt es einen neue Agentur, www.helphome.de (Name geändert). Die Werbung bedient alle Wünsche und Klischees. Ein blonde (aha) Frau (hmpf), nicht zu hübsch (soll ja auch arbeiten und nicht modeln) hält mit entschlossenem Gesichtsausdruck eine Flasche mit einem Reiniger in die Nähe eines Fliesenspiegels. Vertrauenswürdig und arbeitswütig. So mag man es wohl.

Da ich echt in der Patsche sitze, mache ich mich mit der Website vertraut. Man wird gebeten, beim ersten Mal da zu sein und die Arbeit zu erklären. Man kann Zeitfenster buchen und die benötige Anzahl von Stunden. Der Preis ist ok und die Person ist versichert. Mit diesen Rahmenbedingungen kann ich leben.

Ich weiß im voraus, dass die Person, der ich die Tür öffne, nicht ansatzweise aussehen wird wie das Werbegesicht. Tut sie auch nicht.

Er heißt Amaru. Anfang zwanzig, Peruaner. Wir trinken einen Tee und stellen uns vor. Er ist Anfang zwanzig spricht gut Deutsch (findet er auch)  und das mit sanfter Stimme. Er studiere, sagt er und er sei ein sehr guter Fußballspieler. Ob ich verheiratet sei und Kinder habe? Geht ihn eigentlich nix an, aber ich verneine wahrheitsgemäß. Er putzt schnell und ziemlich gut, so dass ich ihn gleich an meine Lieblingsnachbarin weiterempfehle, die auch auf der Suche ist. Zwei Wochen geht alles gut. Dann kann er zu dem vereinbarten Zeitpunkt nicht, weil er sich beim Fußball verletzt habe. Wir brauchen anderthalb Stunden und mehrere Telefonate, um einen geeigneten Termin zu finden. In der Woche darauf ist alles ok, in der Wodanach ist es das gleiche Spiel. Terminverschiebung wegen Fußballverletzung, dieses Mal sehr schlimm, die Verletzung. Ich frage ihn, warum er  sich so oft verletzt, wenn er ein so guter Spieler ist. Ich merke an, dass, wenn ich jede Woche weit über eine Stunde telefonieren muss, bis wir einen Termin haben, ich meine Wohnung mit wenig zeitlichem Mehraufwand auch selbst putzen kann. So groß ist sie nicht und es steht auch nicht viel rum. Er ist beleidigt und genervt von mir. Vielleicht haben die Ereignisse der darauffolgenden Wochen auch damit zu tun.

Am Freitag darauf, am Tag nach seinem Einsatz, fehlt ein Bestandteil meiner Haut- und Gesichtspflege. Diese ist seit Jahren automatisiert und findet oft morgens um halb sechs statt. Ich greife ins Leere, schalte mein Gehirn an, setze die Brille auf, aber das Teil bleibt verschwunden. Auf dem Tisch und drumherum ist nichts. Im Laufe des Tages rufe ich Amaru an. Der informiert mich, dass es ihm beim Putzen hinter die danebenstehende Kommode gefallen ist. Dort könne ich es wieder herausholen.

?Hä?

Aber gut. Noch ist die Entlastung größer als der Ärger. Aber ich habe gemerkt, dass er sich bei den Latexhandschuhen in meinem Badezimmerschrank bedient. Und ich merke, dass mein Klopapier schneller zur Neige geht als gewöhnllich. Bei meiner Nachbarin ist er inzwischen rausgeflogen, weil er ihr mitgeteilt hat, sie könne doch eigentlich selbst putzen, sie habe doch sonst nichts zu tun. Sie hat gerade ihr erstes Kind bekommen und bei der Niederkunft wegen einer nicht entdeckten Schwangerschaftsvergiftung fast ihr Leben und ihr Baby verloren.

Eine Woche später ruft er mich bei der Arbeit an. Es gäbe keinen Strom. Ich KANN so nicht arbeiten, klagt er im Ton einer düpierten Diva. Er hätte jetzt auch schon sehr viel Zeit damit verbracht, zu versuchen, die Sicherung wieder einzuschalten, aber sie spränge immer wieder heraus. Ich weise ihn an, die Böden noch zu wischen, was er mir widerwillig zugesteht. Da sei jetzt aber doof, weil er vorher nicht staubsaugen könne.

Als ich nach Hause komme, bin ich wieder mal froh, dass ich eine handwerkliche Ausbildung habe und mache mich auf die Suche nach dem Fehler im Stromkreislauf. Der ist zum Glück schnell gefunden. Auf meinem Schminktisch steht normalerweise ein Friseurutensil, das Wasser enthält. Er hat es heruntergeworfen, das Wasser ist in die danebenliegende Steckerleiste gelaufen und die Sicherung ist herausgesprungen. Das ganze Stilleben liegt zur Besichtigung in einer feuchten Lache neben dem Tisch. Ich nehme die Steckerleiste aus der Steckdose und drücke die Sicherung wieder rein. Und ich rufe Amaru an und erkläre ihm, dass er selbst schuld ist und er so mit meinen Sachen nicht umgehen kann. Die Wohnung ist nicht sauber.

Eine Stunde später funke ich ihn an, dass ich ihm wegen schlechter Leistung vorläufig den Lohn um einen Euro pro Stunde kürze.

Er funkt zurück: 50 Cent?

Ich funke: Nein.

Er: Für eine Frau verhandeln sie nicht schlecht.

Ich: Für einen Mann verstehen Sie unheimlich wenig von Technik.

Mein Feierabend ist im Eimer und ich setze mir innerlich eine Frist: noch einmal und das war es dann.

Eine Woche funtkioniert und dann...

komme ich nach Hause, will Wäsche waschen und kann die Trommel meiner Waschmaschine nicht bewegen. Ich habe einen Toplader und die Trommel schaut mich mit dem Hintern an, die Öffnung ist verschwunden. Es geht weder vorwärts noch rückwärts, vorsichtig nicht, mit ein bisschen Kraft auch nicht und Gewalt will ich nicht anwenden. Amaru hat an mit der Wäsche und der Maschine nichts zu tun, aber ich funke ihn trotzdem an und frage, was mit der Waschmaschine los ist. Er wüsste gar nicht, was ich schon wieder hätte, ich müsse nur die Trommel wieder in die richtige Position bringen. Er kennt die Lage also, obwohl ich sie gar nicht beschrieben habe. Wäscht der seit Wochen seine Wäsche bei mir?

Mein Feierabend ist im Eimer. Ich fühle mich dem Problem alleine nicht gewachsen, zum Glück kommt Heiner morgen.

Gemeinsam beäugen wir die Lage und kommen ebenso gemeinsam zu dem Schluss, dass wir das Gehäuse zelegen müssen. Ich hole das entsprechende Werkzeug. Wir schrauben den seitlichen und den oberen Gehäusedeckel auseinander und die Lage ist klar. Irgendjemand (wer wohl?) hat die Trommel mit Gewalt (anders geht es nicht) um 180° gedreht (warum auch immer) und sie hat sich verkantet. Wir müssen sie also unten schließen, damit sie sich wieder bewegen kann. Heiner steuert die unerschütterliche Ruhe bei, die von seiner Größe und seiner Kraft ausgeht, machen müssen wir es mit meinen Händen, seine sind zu groß. Zum Glück sind meine Hände kräftig, die Feder ist es nämlich auch und der Winkel ist ungünstig. Beim dritten Anlauf klappt es, die Maschine ist wieder ok. Aber unser Samstag Vormittag ist im Eimer. Gesamtsumme der Aktion: Zweieinhalb Stunden inklusive Bad putzen. Amaru arbeitet drei Stunden.

Dieses Mal kündige ich ihm und buche jemand anderen.

Amarus Nachfolger

Nachfolger Nummer 1, ich habe seinen Namen vergessen:

Auf die Frage, ob ich verheiratet bin, antworte ich, dass es ihn nichts angeht. Er bekommt eine detaillierte Aufgabenbeschreibung und ich lasse ihn anderthalb Stunden alleine. Danach stelle ich fest, dass er gesaugt hat (30min) und meine Schränke innen aufgeräumt hat. Ich weise ihn darauf hin, dass das nicht Teil des Auftrags war und auch völlig überflüssig ist, weil sie schon aufgeräumt waren. Er könne jetzt anfangen, die Fenster zu putzen. Er stöhnt: Noch so viel Arbeit und ich weise ihn darauf hin, dass erst die Hälfte der Zeit um ist. Er habe Kopfschmerzen. Ich habe schmutzige Fenster und setze mich durch. Er kommt eine zweite Chance, bei der ich nicht dabei bin. Dieses Mal macht er eine Vase kaputt, sagt nicht Bescheid und lässt sie im Mülleimer vor dem Haus verschwinden. Ich funke die Agentur an, die nicht reagiert. Ich buche noch einmal jemand anderen

Nachfolger Nummer 2 Krishna:

Ich weise ihn ein und muss dann zur Arbeit. Ich bin kaum in Köln, als er mich anruft: Mein Staubsauger funktioniere nicht. Das ist komisch, weil ich gestern noch etwas weggesaugt habe. Ich gebe in Auftrag, er möge den Rest der Arbeit machen und dann eben nicht saugen. Als ich in meine Wohnung zurückkomme, sieht sie ziemlich genau aus wie vorher. Der Putzeimer ist knochentrocken, der Wischmob auch, aber er ist benutzt worden. Krishna hat den Dreck sorgfältig von A nach B geschoben. Kein Putzlappen ist feucht, nichts ist sauberer als vorher.

Ich beschwere mich und will mein Geld zurück. Von der Agentur kommt nicht mal eine Antwort. Diese Zusammenarbeit gebe ich auf und putze wieder selbst.

Um diese Zeit funkt Amaru mich an und bittet um eine neue Chance. Ich schicke ihm eine lange Liste von Bedingungen. Wenn er sich daran hielte, würde ich es noch einmal versuchen. Er schwört, dass diesmal alles zu meiner Zufriedenheit funktionieren würde. Ich gebe ihm am Donnerstag um 16h einen Termin, um noch einmal ganz genau zu besprechen, wie es laufen soll. Als er um 16.30h anruft, gehe nicht dran. Er schickt eine Nachricht, dass er wegen eines wirklich schlimmen Sturzes vom Fahrrad zu spät sei, aber er komme noch.

Ich habe ihm nicht mehr geantwortet.

Hildegard Wichmann

Hildegard Wichmann

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