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Direkt am Anfang, der Spannungskiller:

Der Schüler ist heil nach Hause gekommen, er hat hier niemanden angesteckt und seine Zeit in den USA hat gereicht, um seine Welt groß zu machen.

Als im Frühjahr die Corona-Krise ausbrach, war einer unserer ehemaligen Schüler in New York, dem Epizentrum der Ansteckung. Und ich war es, die ihm geholfen hatte, die Bewerbung als Au Pair zu starten und zu Ende zu bringen. Bei gutem Ausgang wollte ich mir eine große, bunte Blume anstecken, mich mächtig loben (lassen) und mich mit ihm freuen, dass seine Welt jetzt so groß ist. ER wollte mir helfen andere Schüler und Schülerinnen zu bewegen ins Ausland zu gehen, wenigstens für ein paar Monate. Ich wäre 1983 nicht nach Paris gegangen, wenn meine Tante nach der Schule nicht nach England gegangen wäre; er wäre vielleicht nicht gegangen, wenn ich ihm den Weg nicht gezeigt hätte. Es ist immer schön, wenn jemand vorgeht.

Weil mir schlecht vor Angst war, Angst die anzusteckende Blume könnte eine schwarze werde, habe ich angefangen amerikanisches Fernsehen im Internet zu schauen. Dabei habe ich einen Leader gesehen, der es nicht draufhat, Donald Trump und einen, der es kann, Andrew Cuomo.

Cuomos Vater Mario war auch schon Gouverneur von New York, sein Großvater war ein Gemüsehändler aus Italien. Er hat eine Kennedy geheiratet, sein Bruder ist ein Superstar beim Fernsehsender CNN und Andrew sieht sich mit hoher Wahrscheinlichkeit als einer der nächsten Präsidenten der USA. Er wirkt häufig eitel und selbstgefällig,

ABER: Er beherrscht alle Mittel der Massenkommunikation, die Menschen dazu bringen, Dinge zu tun, die ihnen lästig sind oder die sie eigentlich nicht wollen. Diese sind in Deutschland in Verruf geraten und das aus gutem Grund. Es ist der gleiche Grund, aus dem ich das Wort Leader benutze und nicht seine deutsche Übersetzung.

ABER:  Erstens sind diese Mittel extrem (mit einem Augenzwinkern an Heiner auch extremst) wirksam und zweitens haben auch die guten Jungs sie benutzt. Churchill hat seine Briten auf Blut, Schweiß und Tränen eingeschworen. Seine Devise war, dass, wenn man den Menschen die Wahrheit sagt, sie die richtigen Dinge schon tun werden. Theodore Roosevelt hat seinen US-Amerikanern gesagt, sie hätten nichts zu fürchten außer der Furcht selbst. Charles de Gaulle (Karl von Gallien ist echt ein cooler Name) hat aus England mit den Franzosen gesprochen und Thomas Mann aus Amerika mit den Deutschen.

Welches also sind die Mittel der Massenkommunikation?

Nummer 1:

Tu es. Kommuniziere.

Nummer 2:

Tu es oft. Kommuniziere in einem zuverlässigen Rhythmus.

Cuomo hat mittlerweile ein Buch geschrieben über das, was er in der Krise gelernt hat. Ich habe es noch nicht gelesen, aber bei Amazon kann man reinsehen.

Eines seiner Mittel ist:

Nummer 3:

Have a consistent message. Mache einfache Aussagen und bleibe dabei. Wenn man Menschen mitteilen möchte, dass an bestimmten doofen Dingen kein Weg vorbeiführt, muss man die Nachricht eben schlicht halten und oft sagen. Eine meine Lieblingskolleginnen hat dieses Jahr gesagt: Wir müssen uns alle verhalten, als wären wir infiziert. Und als wäre es der andere auch. So etwas taugt sehr gut als consistent message.

Cuomo hat JEDEN Tag eine Pressekonferenz gehalten, immer um die gleiche Uhrzeit. Sie war immer gleich strukturiert:

a. Zahlen: Neuinfektionen, Hospitalisierungen, Tote.

b. Was aus diesen Zahlen folgt: Wie müssen wir uns verhalten, damit wir die Kurve runter kriegen.

Und als sich die Lage im Sommer beruhigte, kam ein dritter Teil dazu

c. Wenn ihr eure Läden wieder aufmachen wollt, schreibt ein Sicherheitsprotokoll. Damit geht ihr zur Behörde XY und dann dürft ihr.

Die Mittel, die ihn mir trotz seiner Eitelkeit sympathisch gemacht haben, waren:

Nummer 4:

Habe keine Angst vor einer Antwort, die du noch nicht kennst. Viele Male hat er mit I don’t know auf die Fragen der Presse geantwortet. Aber spätestens eine Woche später hatte er eine Antwort, denn er hat Mittel Nummer 5 angewandt.

Nummer 5:

Lass dich von Experten beraten und vertraue ihnen öffentlich. Wenn du der Intelligenteste im Raum bist, bist du im falschen Raum.

Und zwei noch für heute, dann reicht es:

Nummer 6:

Verwende alle Kanäle: Radio, Fernsehen, Durchsageanlagen, Zeitung, schrei es aus dem Fenster und mach es selbst richtig.

Nummer 7:

Zeig es Ihnen. Wenn man 100 Leute fragt, wie viel 1,50 m sind, gehen die Antworten von 50 cm bis 2,50m. Im Central Park haben sie Kreise auf den Rasen gemalt, in denen man sich sicher aufhalten konnte.

Andrew Cuomo hat seine Kurve runtergezwungen, weil die Einwohner und Einwohnerinnen seines Staates ihm vertraut und geglaubt haben. Jetzt ist sie wieder oben und er muss noch einmal ran. Und ich werde ihm wieder dabei zusehen.

P.S. Mein Bruder ist in die Ministerpräsidentin von Neuseeland verknallt.

Hildegard Wichmann

Hildegard Wichmann

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