Alltagsabenteuer in Deutschland

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Es war eine meiner Lieblingsunterrichtseinheiten.

In Köln habe ich in den Kfz-Klassen zehn Jahre lang fachfremd Politik und Wirtschaft unterrichtet, wie an gewerblich-technischen Berufskollegs so üblich, nach einem Lehrplan zum selbst ausmalen.

Also habe ich die Inhalte behandelt, von denen ich dachte, dass die SuS sie brauchen würden um informiert zu wählen und kompetent zu leben. Eine der Unterrichtsreihen beschäftigte sich mit Haushaltsplanung. Die überwiegend männlichen Schüler der Oberstufe mussten ihren zukünftigen Lohn und ihre Ausgaben ermitteln. Wenn sie damit fertig waren, haben wir die Ereigniskarte gezogen: Ein Baby kommt.

Und dann haben wir den Haushalt noch einmal ausgerechnet. Es war sehr lustig, zuzuhören, wie sich die Karos (Karosseriebauer) darüber stritten, ob die Windeln in Deutschland oder in Holland billiger sind und ob sich die Fahrt lohnt. Es war ein Vergnügen dabei zu sein, wenn klar wurde, dass ein Baby ausschließlich mit Gläschennahrung zu ernähren ungefähr 10% des Nettoeinkommens frisst und dass es sich lohnen kann, eine Banane selbst zu zerquetschen statt Onkel Hipp darum zu bitten.

(Meine Paranoia sieht überall in der deutschen Wirtschaft Onkels herumstehen, die ich sehr kritisch befragen muss, ob sie gute oder böse Onkelz sind. Zwei böhse habe ich schon gefunden: Onkel Lindt und Onkel Oetker.)

Onkel Hipp kann ich schwer einschätzen. Halten wir uns an die Tatsachen: Er steht in Landjunkerstracht auf einem Feld. Und er steht dafür mit seinem Namen. Den Slogan kannten natürlich alle im Klassenraum, aber sie wussten genauso wenig wie ich, wofür er denn eigentlich mit seinem Namen im Feld steht. Da die Klasse beschäftigt war, habe ich mal nachgeschaut.

Feststellung Nummer 1: Der steht da schon ganz schön lange im Feld mit seinem Namen. Und manchmal auch im weißen Kittel statt in Lodengrün.

Feststellung Nummer 2: Da steht ein neuer Onkel Hipp.

Aber auch er ist ein Landedelmann. Vielleicht darf man unter 50 Jahren nicht aufs Feld, weil man ganz ohne Falten nicht vertrauenswürdig genug aussieht.

Feststellung Nummer 3: Die Firma Hipp hat ein eigenes Biosiegel. Und das vergibt es an sich selbst.

Dafür gehen Vater und Sohn auch mal gemeinsam raus.

Wir haben die Unterrichtseinheit in abgewandelter Form an meiner neuen Schule in der Ausbildungsvorbereit gemacht. Mit der Abteilungsleiterin kann man besonders gut herumalbern.

Und wir haben aus dem Gesamtklimbim gefolgert, dass wir doch auch ein Qualitätssiegel selbstbasteln können. Weil Schulbildung sehr ernst ist, nicht rund, sondern vielleicht sechseckig. Ein Schatten von Bundesadler? Siegel für besonders hochwertigen Unterricht? Und das verleihen wir uns dann gegenseitig. Sie mir und ich ihr. Yessss.

PS: Ich weiß immer noch nicht, ob Onkel Hipp ein guter oder ein böser ist. Wahrscheinlich ein reicher. Aber ein paar von unseren Schülern haben ihre Möhren selbst gekocht.

Hildegard Wichmann

Hildegard Wichmann

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Bonn