„Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub’, du hältst nicht viel davon.“
Fragt Gretchen Heinrich Faust in Goethes gleichnamigem Drama.
Sag Religion, was erzählst du den Menschen, wäre meine Gretchenfrage.
Warum Jesus Christus jedes Jahr an einem anderen Tag aufersteht, wo man sich doch für seinen Geburtstag festgelegt hat, haben mir schon meine Eltern erklärt. Die christliche Kirche hat die Religionen, die sie vorfand, überschrieben. Aber viel von ihren Symbolen und ihren Riten hat sie fast alles übernommen, damit die Menschen etwas Vertrautes fanden, an das sie glauben konnten. Und so ist die Wiedergeburt Christi am ersten Sonntag nach dem ersten Frühjahrsvollmond in jedem Jahr zu einem anderen Zeitpunkt. Und sie ist umgeben von eierlegenden Hasen. Die sind auch nicht so ganz koscher.
Mein Vater war studierter evangelischer Theologe, bevor er Soldat wurde und hat sich viel mit Vor- und Frühgeschichte beschäftigt. Damit hat er sich eine Gemengelage von Überlieferungen eingehandelt, die gar nicht so leicht unter einen Hut zu bringen sind. Folgendes hat er mir erklärt:
Alle uralten Religionen hatten Muttergottheiten. Das Leben verlief kreisförmig in drei großen Akten: Geburt, Leben und Tod. Der Tod war nicht schlimm, denn man wurde ja wiedergeboren. Das geschah durch die Frau, die also heilig war und geschützt werden musste. Alles Leben war heilig, Menschen, Tiere und Botanik. Eine sehr kurze Bibel. Im Literaturstudium habe ich mich oft gefragt, ob das goldene Zeitalter, das es in jeder mir bekannten Kultur gibt, damit etwas zu tun hat.
Die Macht der Frau über die Wiedergeburt war zunächst total. Denn bei Feuersteins gab es keinen Biologieunterricht und der Zusammenhang zwischen geschlechtlicher Vereinigung und Zeugung war nicht bekannt. Als erstes haben es die Frauen erkannt, aber sie haben es den Männern nicht gesagt. Denen musste es vorkommen, als ob eine Frau völlig autonom entschied, ob sie schwanger wurde oder nicht. Und da jeder wiedergeboren werden wollte, hat er sich benommen. Als auch den Männern der Zusammenhang zwischen Sex und Schwangerschaft bekannt wurde, veränderte sich die Lage und die Frage, von wem ein Kind ist, wurde langsam relevant. Besonders relevant wurde sie, als die Menschen von Jägern und Sammlern zu Ackerbauern und Viehzüchtern wurden, denn von dem Zeitpunkt an gab es etwas zu vererben. Also musste die Kontrolle über die Frauen ausgeweitet werden und der Mann wollte die Schöpfung des Lebens für sich. Die ersten Versuche kamen mir schon beim ersten Lesen etwas seltsam vor. Zeus schleudert seinen Samen ins Meer und daraus entsteht Venus? Netter Versuch. Soweit das, was ich von meinem Vater gelernt habe.
Auf langen Autofahrten, ob nach Emden oder nach Mon Village, höre ich Hörbücher. Sie sind die besten Begleiter und ich liebe es, wenn man mir etwas vorliest.
Dieses Jahr habe ich Sakrileg von Dan Brown mitgenommen, obwohl ich es schon kannte. Aber es ist schön lang und enthält ein echtes Sakrileg, einen gewaltigen Tabubruch. Den Rahmenhandlung lasse ich weg, sonst wird es zu lang. Der bekannteste Gralsforscher der Welt setzt in der Geschichte der Protagonistin folgendes auseinander.
Allgemeine Annahme ist, dass der heilige Gral, nach dem das gesamte Mittelalter gesucht hat, ein Gefäß sei. In diesem Gefäß habe Josef von Aritmathäa das Blut Christi am Kreuz aufgefangen. Er sei damit nach Frankreich geflohen und habe den Gral versteckt und beschützt. Viele Generationen hätten ihn weitergegeben unter anderem unter dem Schutz der Tempelritter.
Der Gral sei aber kein Gegenstand, zwar in gewisser Weise ein Gefäß, aber eine Person: Maria Magdalena, Jesus‘ Ehefrau und Mutter seines Kindes. Der Begriff saint gral sei eine Umdeutung von sang realkönigliches Blut, um die wahre Natur des Grals zu verschleiern und vor der katholischen Kirche zu beschützen. Die Kirche habe mit aller Macht alles Weibliche aus dem Glauben verbannen wollen. Für die ganz Hartnäckigen hätten sie die Jungfrau Maria erschaffen, die sich aber artig unter das Kommando Gottes beugt.
Viele Wissenschaftler und Künstler hätten das gewusst und auch bildlich dargestellt. Als Beleg verwendet der Forscher im Buch das letzte Abendmahl von Leonardo da Vinci.
Die Person zur Rechten von Jesus sein keineswegs der gängigen Meinung entsprechend Johannes, sondern eine Frau, nämlich Maria Magdalena. Jesus habe entschieden IHR seine Kirche zu übergeben und das sei der Grund, warum Petrus so sauer sei.
Ich werde mal nachforschen, was an der Geschichte schon belegbar ist.
Für heute: Frohe Ostern.
Ach ja, der alte Sonnengott der Mittelmeervölker hat als Heiligenschein in der christlichen Kirche überlebt. Das hat mein Vater auch schon gewusst.