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Bevor es ernst wird, gibt noch etwas zu lachen.

Wie die Geschichtsschreibung mit Donald Trump verfahren wird, wenn der Corona-Alptraum vorbei ist, werden wir sehen. Vorläufig ist er nicht vorbei und Amerika befindet sich in der Geiselhaft eines Präsidenten mit einer klinischen narzisstischen Störung. Das ist in Chefetagen gar nicht sooo selten, denn Narzissten fehlen ein paar Dinge, die mental halbwegs gesunde Menschen häufig ausbremsen: die Fähigkeit zur Selbstkritik und ein Gewissen. Das macht die Irren schnell, überzeugend und gibt ihnen die Aura von Machern. Auch in Schulen in Köln.

Seit dem 18. März verfolge ich die Neuigkeiten aus den USA, denn ungefähr seit diesem Zeitpunkt ist klar geworden, dass der Wunsch Donald Trump als seltsamer Irrtum in die Geschichte eingehen für viele US-Amerikaner auf tödliche Weise nicht erfüllt werden wird.

Die handelnden Personen der Tragödie sind:

Der, der es nicht verstanden hat, weil es zu abstrakt war: Donald Trump

Die, die versucht haben, es ihm und den USA zu erklären: Dr. Anthony Fauci und Dr. Deborah Birx, zwei Virologen, die besonders im Kampf gegen HIV in Erscheinung getreten sind.

Der, der es zuerst ausbaden muss: Andrew Cuomo, Gouverneur des Staates New York.

Wie geht man als amerikanischer Präsident am besten mit einer Pandemie um? Trump entscheidet sich für folgenden Handlungselemente:

Leugnen

Wir haben fünfzehn Fälle in den USA, das sind dann bald fast null.

Versuchen, eine schnelle Lösung mit Geld zu erkaufen

Trump versucht eine deutsche Firma zu kaufen, die an einem Impfstoff forscht.

Happy talk

I would like to reopen the country by easter. Churches packed with people, that would be wonderful. We have it totally under control.

Auf ein Wunder hoffen

Cloroquin wird als gottgesandtes Wundermittel propagiert. Hier tritt Dr. Fauci auf den Plan und widerspricht vor laufender Kamera dem Präsidenten.

Im Regelfall vermeidet Fauci Konfrontationen mit Trump, versucht trotzdem irgendwie die Fakten in die Öffentlichkeit zu bringen.

Ablenken

Schlimme Zahlen schönreden

Die ersten harten Zahlen sind gegen Ende März da. Die beiden Ärzte stellen ein Modell vor, das von 100.000 bis 240.00 Toten in Amerika als best case scenario, d.h. wenn alle zu Hause bleiben und sich an die guide lineshalten, ausgeht. Trump kommentiert: So if it is only 100.000 we will have done a very good job. Mir ist beim Zusehen nicht ganz klar, ob er weiß, dass er nicht von Hamburgern spricht, sondern von Menschenleben.

Gute Lösungsvorschläge machen

Für zu Hause

Da die Angst vor dem Tod (der anderen) geringer zu sein scheint als die vor dem Stillstand der Wirtschaft, werden von republikanischer Seite aus produktive Vorschläger gemacht wie dieser: Wenn du deine Kinder und Enkel liebst, dann stirb doch bitte einfach und erhalte ihnen das Amerika, das wir so lieben. Wenn ich eine echte amerikanische Patriotin wäre, bräuchte ich jetzt noch eine klare Handlungsanweisung bitte. Nehme ich mir jetzt einen Strick und hänge mich nebenan sozialverträglich gleich auf, um das Verfahren abzukürzen oder gehe ich raus, stecke mich an und sterbe dann im Wald alleine, weil ich ja meine geliebte Familie nicht anstecken will? Wie hätten Sie es gerne?

Und für die Wirtschaft

We can’t let the cure be worse than the desease. Das Heilmittel darf nicht schlimmer werden als die Krankheit. Ich habe verstanden, dass alle Volkswirtschaften gerade enormen Schaden nehmen und der Stillstand der Wirtschaft nicht ewig anhalten kann. Ich habe nicht verstanden, wohin die Debatte cure worse than desease führen soll.

Cure worse than disease? Trump, pundits would ease virus restrictions
We’re all going to hear this phrase again and again: “We cannot let the cure be worse than the problem itself.”

Wie lautet für diesen Lösungsvorschlag die Handlungsanweisung? Ihr macht wieder auf, jeder steckt sich an, wie und wo er will, stirbt zu Hause, am Arbeitsplatz oder im Auto? Das gibt am Ende doch auch ein logistisches Problem. Wenn die Virologen recht haben, gibt es in diesem Fall recht schnell die gewünscht Herdenimmunität aber eben auch sehr schnell sehr viele Leichen.

Und irgendwann Ende März: He's got it

Donald Trump kapiert Ende März so ziemlich als letzter, was passiert. Bis zu diesem Zeitpunkt sind seine Pressekonferenzen von zwei Dingen bestimmt: Happy-Talk und einer Reihe von CEOs, die erklären, was ihre Firmen für einen great job in der Krise tun. Bevor sie die Bühne betreten, sagen sie: Thank you for your leadership, Mister President. Das ist die moderne Form des Hofknickses.

Nach dem 29.März wird der Ton dann dunkel und Trump kündigt bis einer viertel Million Tote an. Er beschwört zwei bis drei sehr schmerzhafte Wochen für die unmittelbare Zukunft. Woher kommt der Kurswechsel? Trump hat im Stadtteil Queens, wo er aufgewachsen ist, die Mengen an Toten gesehen, die mit Gabelstaplern in Kühlwagen geschaufelt werden müssen, um die Leichenhallen der Krankenhäuser zu entlasten. Und vielleicht haben Fauci und Birx im Hintergrund endlich ein Machtwort gesprochen. Trump öffentlich zu widersprechen ist nicht opportun; er neigt dazu Leute zu entlassen.

Ziemlich genau um die Monatswende sind in NY die ersten 2000 Menschen gestorben. Die Kurve beginnt ihren typischen Aufschwung. In Trump-Sprache: It happens so fast. Richtig, das Wort ist exponentiell.

Als in Deutschland in den weiterführenden Schulen zwischen Klasse 5 und Klasse 10 noch nicht überwiegend Mandalas gemalt wurden, haben viele SuS diesen Begriff mit der Geschichte vom Schachbrett und dem Reiskorn gelernt:

Das Märchen vom Reiskorn und dem Schachbrett

Es war einmal ein kluger Höfling, der seinem König ein kostbares Schachbrett schenkte. Der König  sprach er zu seinem Höfling: "Sage mir, wie ich dich belohnen kann. "Der Höfling sagte: "Nichts weiter will ich, als dass Ihr das Schachbrett mit Reis auffüllen möget. Legt ein Reiskorn auf das erste Feld, und dann auf jedes weitere Feld stets die doppelte Anzahl an Körnern. Also zwei Reiskörner auf das zweite Feld, vier Reiskörner auf das dritte, acht auf das vierte und so fort." Der König war erstaunt. "Dein Wunsch möge dir auf der Stelle erfüllt werden." Der Höfling lächelte.

Sofort traten Diener mit einem Sack Reis herbei und schickten sich an, die Felder auf dem Schachbrett nach den Wünschen des Höflings zu füllen. Bald stellten sie fest, dass ein Sack Reis gar nicht ausreichen würde. 64 Felder hat ein Schachspiel. Schon das zehnte Feld musste mit 512 Körnern gefüllt werden. Beim 21. Feld waren es schon über eine Million Körner. Und beim 64. Feld stellten die Diener fest, dass es im ganzen Reich des Königs nicht genug Reiskörner gab, um es aufzufüllen. Mit seinem Wunsch wurde der Höfling zum reichsten Mann im ganzen Land.

In einem youtube-Video wird ausgerechnet, dass die Oberfläche von Deutschland einen Meter hoch mit Reiskörnern bedeckt ist, wenn man bei Feld 64 angekommen ist. Exponentiell heißt tatsächlich: It happens fast.

Im Jahr 2020 hat das Internet einen passenden Ausdruck hervorgebracht: Man sagt, ein Beitrag im Netz goes viral, was die SuS lieblos mit geht viral übersetzen. Wäre ich jetzt das Sandmännchen, würde ich sagen: So, liebe Kinder, jetzt zeigt euch mal ein echtes Virus, woher der Ausdruck eigentlich kommt.

Der Gouverneur des Staates New York Andrew Cuomo spielt währenddessen mit seiner Kurve Armdrücken und verliert. Er bettelt um Material wie Beatmungsgeräte und PPE (personal protection equipment) und bekommt keines. Krankenschwestern arbeiten in Müllsäcken, stecken sich an und sterben.

Da es keine koordinierten staatlichen Maßnahmen gibt, überbieten sich die 50 Bundesstaaten beim einkaufen gegenseitig und mit der Regierung in Washington. Cuomo sagt in einer Pressekonferenz, es sei wie bei Ebay. Auch er vermeidet die offene Konfrontation mit Trump, denn er braucht Material. Und das schickt Trump dahin, wo man nett zu ihm ist.

Aber es gibt immer wieder kritische Töne, in dem, was der Gouverneur sagt. Als Trump ihn angreift, weil er die angeforderten Beatmungsgeräte nicht sofort einsetzt, sondern einlagert, erwidert er: Dinge bevorrate, die wir bald brauchen werden nennen wir planen. Später dann: Daten sammeln, auswerten und auf ihrer Grundlage Entscheidungen treffen, das nennen wir regieren. Auf die Frage, was er Trump raten würde, sagt er: Lass deine Wissenschaftler reden, du hast sehr gute Leute. Das ist die höfliche Variante von: Halt die Klappe.

Mittlerweile liegt die Prognose für New York bei 15.000 Toten.

New York Coronavirus Curve Flattening But UW Deaths Forecast Rises from 10K to Over 15K

Warum sich alle vernünftigen Menschen um Trump herum so diplomatisch und vorsichtig verhalten, wird ein paar Tage später deutlich.

Der Kapitän des Flugzeugträgers USS Theodore Roosevelt wird entlassen. Das Pentagon wirft dem Offizier unnötige Panikmache vor. – (US NAVY/AFP/Archiv / US NAVY )

Der Kapitän des US-Flugzeugträgers “USS Theodore Roosevelt”, der wegen Corona-Fällen an Bord Alarm geschlagen hatte, ist vom Pentagon entlassen worden. Kapitän Brett Crozier habe in der Krisensituation unnötige “Panik” erzeugt und “schlechtes Urteilsvermögen” gezeigt, begründete Marine-Staatssekretär Thomas Modly am Donnerstag die Entscheidung.

Modly kritisierte den an die Medien gelangten Brief, in dem der Kapitän die Zustände an Bord der “USS Roosevelt” in dramatischen Worten beschrieben hatte, als irreführend. Zwar seien unter der Besatzung des an der US-Basis auf der Pazifikinsel Guam liegenden Schiffs 114 Corona-Infektionen aufgetreten. Doch sei es in keinem dieser Fälle zu einer schweren Erkrankung gekommen, sagte der Staatssekretär.

Mit seinem Brief habe Crozier die Familien der Besatzungsmitglieder unnötig in Angst versetzt, kritisierte Modly. Auch habe er ungebührliche Zweifel an der Einsatzbereitschaft des Flugzeugträgers gesät. Modly warf dem Kapitän deshalb mangelnde “Professionalität” vor.

In seinem Brief hatte der Kommandant eindringlich gefordert, die Besatzung von Bord zu holen. “Wir befinden uns nicht im Krieg. Es müssen keine Seeleute sterben”, wurde er von US-Medien zitiert.

US-Verteidigungsminister Mark Esper verweigerte dennoch zunächst die Evakuierung des Flugzeugträgers. Später willigte das Pentagon dann aber doch ein, zwar nicht alle, aber die meisten der insgesamt rund 4800 Seeleute von Bord zu holen und auf Guam unterzubringen. Der Flugzeugträger hatte vor Guam Anfang März in Vietnam angelegt. Ob sich die ersten Marinesoldaten dort ansteckten, ist aber unklar.

Washington (AFP) / © 2020 AFP

Den Artikel habe ich hier geklaut: https://trendskey.com/taglicher-anzeiger-holzmindenkapitan-von-us-flugzeugtrager-mit-corona-fallen-entlassen/

Seit heute, dem 4.4.2020 ist die neueste Strategie des Präsidenten:

Wissenschaftlich klingen

In seiner Pressekonferenz beruft sich Trump heute auf neueste Studien, denen die US-Regierung gerade entnommen habe, das auch Menschen, die keine Krankheitssymptome haben, das Virus verbreiten können. Thank you for your leadership, Mister President.

Das Coronavirus zeigt dem Erfinder der alternativen Fakten und der selbstgebastelten Realität, wie es ist: Was Realität ist, sagt sie dir nicht du ihr.

Ich habe mir schon einmal überlegt auszuwandern, als eine durchgedrehte Berliner Anwältin vor zirka fünfzehn Jahren vorschlug, man könne die Scharia als paralleles Rechtssystem in Deutschland einführen. Wenn Trump im Oktober wiedergewählt wird, muss ich mir einen neuen Planeten suchen.

PS: Hat irgendjemand meinen Ausbruch bis zu Ende gelesen? Bitte entschuldigt diesen Wortschwall, ich habs nicht besser hingekriegt.

Hildegard Wichmann

Hildegard Wichmann

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Bonn