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Von der Fortbildung auf Bundesinnungsebene im Zweiradbereich habe ich euch schon erzählt. Dort versammeln sich nur Menschen, die junge Leute ausbilden und ihren Machismus ungefiltert weitergeben. Clara und ich haben, als wir Anfang der 90er Jahre unsere Ausbildungen in Zweiradmechanik gemacht haben, die letzten Tittenkalender in der Berufsschule in Bad Godesberg abgehängt,

Heute befinden wir uns auf BAG-Ebene, Bundesarbeitsgemeinschaft Metall-Elektrotechnik. Ich mochte diese Fortbildungen. Schöne oder interessante Städte, ein Programm, das zu Diskussionen anregte und ein Tagungsfest. Ein ziemlich eingebildeter Verein waren sie aber auch, viele Hochschullehrer dabei. Aber auch das führt ja nicht zwingend zu menschlichem Niveau. Aber ich habe hier einen echten Freund kennengelernt: Norbert.

Die in Kassel war dann die letzte. Es war wie immer spannend und ich habe mich wohl und als regelmäßige Teilnehmerin auch dazugehörig gefühlt. Zum Tagungsfest war ein Komiker eingeladen. Er würde sich selbst wahrscheinlich als Kaberettist bezeichnen, aber dafür reichte es nicht. Ich lache sehr gerne und es ist auch nicht schwer, mich dazu zu bringen. Bei ihm war es etwas schwerfällig, obwohl es sein Beruf gewesen wäre. Zu Ende war es dann, als er einen Satz mit den Worten beendete:

  • eine Technik, die sogar Frauen verstehen.

Ich bin aufgestanden und gegangen. Wie immer fanden die meisten meine Reaktion überzogen. Aber jetzt einmal für alle und zum Mitschreiben: Worüber ich lache und worüber ich mich aufrege, sage ich euch und nicht ihr mir. Man wird ja in solchen Fällen gerne als humorlos und zickig bezeichnet, das heißt der ersten Verletzung wird noch eine zweite hinzugefügt mit der sorglosen Grausamkeit der Herz- und Hirnlosen mit Hochschulabschluss. Ich empfehle in solchen Fällen einen Test, den ich von Alice Schwarzer gelernt habe:

Ersetze das Wort Frau durch Jude oder Türke.

  • eine Technik, die sogar Juden verstehen.
  • eine Technik, die sogar Türken verstehen.

Wenn du dann mit deinem Satz den ganzen Raum gegen dich hast, denn da verwandeln sich die Herzlosen ganz schnell in Gutmenschen, dann gilt: Pack deinen Satz ein und spül ihn im Klo runter. Denn dort gehört er hin.

Der Tagungsleiter hat den Komiker per Mail zurechtgewiesen, weil er es doof fand, dass ich gegangen bin. Das hat mir gut getan. Die Wunde hat es nicht geschlossen. Die Selbstverständlichkeit, mit der der Komiker davon ausging, dass das schon klargeht, war für mich ein Schlag ins Gesicht.

Als eine der nächsten Tagungen in Köln war, bin ich noch einmal hingegegangen. Ich wollte, dass mir jemand noch einmal ins Gesicht sieht. Jemand, den ich in meinem schwierigen Versetzungsverfahren nach dem ersten abgelehnten Versetzungsantrag um Hilfe gebeten habe. Die Antwort lautete:

  • Ich kann dir nicht helfen. So sind nun einmal die Spielregeln.

Ich war damals am Ende meiner Kraft. Und ich habe sprach- und fassungslos vor dem Rechner gesessen und die Mail von jemandem, den ich für meinen Freund gehalten hatte, zwanzig Mal gelesen. Dumerweise stand da immer dasselbe. Er hat mal versucht mich zu verführen, aber das hat nicht geklappt. Ich glaube, das ist eine gute Geschichte für nächste Woche. Und wahrscheinlich war unsere Freundschaft in dem Moment zuende und ich zu blöd das zu merken.

Parenthese: Ich habe in amerikansischen Beautyvideos einen Ausdruck gelernt:

  • to doll up: aufrüschen, wörtlich aufpuppen, ein hinreißender Ausdruck

Ich bin also dolled up, mit (hoffentlich) Klasse und viel Sorgfalt zu dieser Tagung gelatscht. Das grüne Kleid war sehr figurbetont. Jetzt trägt es eine Kollegin von mir. Norbert ist auch da und hält mich über den Zeitplan auf dem laufenden. Und er steht im entscheidenden Moment hinter mir.

Ich habe meinem Nicht-Freund noch einmal ins Gesicht gesehen. Und er mir. Und dann habe ich mir das Plenum angesehen: Alles Männer, alle grauhaarig. Niemand jung, niemand weiblich.

Ich wünsche euch viel Spaß Jungs, in eurer traurigen Welt der gegenseitigen und Selbstbeweihräucherung. Ich bin dann mal weg und ich hab etwas Schönes vor.

PS: Ich merke gerade, dass ich in Fahrt und ganz schön wütend bin. Hunderte kleine und große Gespräche, die jungen Frauen die Mechanik vergällen schießen mir durch den Kopf. Die jungen Frauen, die ich in den Kfz-Klassen hatte, haben später alle etwas anderes gemacht. Sie waren in den Werkstätten nicht willkommen. In der Zweiradwelt ist es etwas besser, weil die Leute ein bisschen heller sind, aber auch meine Mädels mussten sehr hart kämpfen. Genau wie ich. Und wenn wir nicht gekämpft haben, haben wir uns mit dem, was die Franzosen premier degré nennen, der erste Grad. Der hat nichts mit Rafinesse zu tun.

Ein typischer Dialog war immer:

  • Ich bin Zweiradmechanikerin.
  • Das finde ich ganz toll.

Ich habe meistens nichts dazu gesagt, aber selbst wenn der Dialogpartner das nicht ganz toll findet, bin ich immer noch Zweiradmechanikerin. Und im Regelfall habe ich nicht nach einer Bewertung meiner Berufswahl gefragt. Liebe Bundesrepublik, senke bitte die Augenbrauen, die du mit Richtung auf muslimische Familien und ihr Frauenbild gerne hochziehst. Es gibt hier noch reichlich Arbeit.

Hildegard Wichmann

Hildegard Wichmann

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